Vollzeitjob mit Hund? So funktionierts!
Nachrichten wie diese erreichen mich oft:
Meiner Meinung nach sollte man seinen Hund gar nicht regelmäßig allein lassen. Unter welchen Umständen das aber trotzdem funktionieren kann erfährst du in diesem Beitrag.
Hund vs Kind
Wir Menschen passen in die Gesellschaft. Wir wissen uns zu verhalten, sprechen eine Sprache und folgen den allgemeinen Regeln. Aber warum ist das so? Nicht weil wir so geboren werden, sondern weil wir jahrzehntelang so erzogen werden. Wie viel Anstrengung, Kraft und Aufwand wir betreiben um unsere Kinder zu erziehen ist schon beeindruckend.
Überleg dir mal wie ein Mensch wäre wenn ihn niemand erziehen würde. Woher sollte er wissen wie er sich im Straßenverkehr verhalten soll, wie man anderen Menschen gegenüber zu sein hat, was man machen darf und was nicht? Er würde es nicht wissen. So ein Mensch wäre wohl ein Wilder, ein Außenseiter. Eher tierisch als menschlich. Denn hauptsächlich die Manieren und Verhaltensweisen machen uns menschlich, nicht primär unsere Intelligenz.
Das ist eine essenzielle Erkenntnis, denn sie bedeutet, dass sich unsere Hunde vielleicht auch nur deshalb wie Tiere verhalten weil ihnen keiner beibringt wie sie sich menschlich verhalten könnten.
Nehmen wir zum Beispiel meine Hündin Cassie - mir ist klar, dass sie niemals ein Mensch sein wird, genauso wie ein Schwein niemals eine Kuh sein wird. Trotzdem habe ich ihr viele der Verhaltensweisen die uns Menschen ausmachen beigebracht. Sie versteht was eine Straße ist, sie weiß, wie sie sich anderen Menschen gegenüber verhalten soll, sie ist höflich, hat ihre Emotionen unter Kontrolle und handelt überlegt und nicht impulsiv.
Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass ein Hund nicht aufgrund seines Wesens oder seiner Rasse so ist wie er ist, sondern aufgrund seiner Erfahrungen und der Erziehung die er genießen darf. Jeder Hund, egal welcher Rasse, hat das Potenzial dazu ein entspannter, folgsamer und respektvoller Wegbegleiter zu werden.
Wenn man also weiß, dass man einem Hund das alles beibringen kann, dann ist man doch eigentlich verpflichtet dazu es zu tun. Denn sonst ist es doch nichts anderes als ein Kind in die Welt zu setzen und es sich selbst zu überlassen, oder? Wie unfair und respektlos wäre das? Welches Lebewesen hätte sowas verdient? Keins! Erst recht nicht, wenn man sich auch noch freiwillig und ganz bewusst dazu entscheidet es in sein Leben und seine Welt zu holen und die Verantwortung dafür zu tragen.
„Du musst keinen Hund haben, du darfst.“
Nehmen wir ein Baby einer anderen Spezies auf ist es doch unsere Pflicht dieses wie unser eigenes Kind zu erziehen?!
Ich weiß, der Hund-Kind-Vergleich stößt immer sofort auf prinzipielle Ablehnung aber irgendwie doch einleuchtend, oder? Würden wir Menschen aufhören zu glauben wir wären etwas Besseres und lieber beginnen unsere Hunde auf eine höhere Ebene zu stellen, würde sich so viel ändern.
Vor allem würde sich das Bewusstsein über die Größe der Aufgabe eines Hundebesitzers ändern. Eine Aufgabe die erst mit dem Tod des Hundes endet und einem Vollzeitjob gleicht. Während man in unserer Gesellschaft aufgrund des Systems, dass wir uns geschaffen haben, die Erziehung des Kindes schon sehr früh zum Teil abgibt, obliegt die Erziehung eines Hundes bis an sein Lebensende zu 100% dem Hundebesitzer. Einen Hund bei sich aufzunehmen verändert das ganze Leben. Dabei ist es unerheblich ob man ihn wie ein Kind erzieht und in die Gesellschaft integriert oder ob man ihn mehr oder weniger sich selbst überlässt und „halt einfach einen Hund hat“ - das Leben wird sich definitiv verändern. Die Frage ist nur ob ins Positive oder ins Negative.
Um dem Hund den Respekt zu zollen der ihm gebührt gibt es nur eine Möglichkeit: Man muss ihn mittels einer liebevollen und respektvollen Erziehung in unsere Gesellschaft integrieren. Das ist nicht für den Hund und einen selbst die einzige nachhaltige Möglichkeit ein harmonisches Zusammenleben zu gewährleisten sondern das betrifft auch alle anderen Menschen und Tiere die ebenfalls Teil unserer Gesellschaft und somit unseres Lebens sind.
Macht man das jedoch nicht, funktioniert das Zusammenleben nicht reibungslos. Das kann vieles bedeuten: Von Problemverhalten (Bellen, Fiepen, Jagen, Ziehen an der Leine, Aggression gegenüber Artgenossen, allgemeines Ungehorsam,… ) über Handicaps im Alltag bis hin zu gesundheitlichen Problemen, die wiederum zu Problemverhalten führen können. Ein ewiger Teufelskreis der für jeden eine Belastung darstellt. So wird das Zusammenleben ganz schnell zur Qual.
Spaziergänge werden anstrengend und sind eine Herausforderung, folglich wird der Hund immer mehr allein gelassen weil es einfacher ist etwas ohne ihn zu machen. Zuerst betrifft das nur das Abendessen bei Freunden oder im Restaurant, irgendwann kommt er dann nicht mal mehr mit auf Urlaub weil er es eh schon gewohnt ist nicht dabei zu sein,… und so ist das Alleine bleiben nicht mehr eine Ausnahme sondern eine Regel und aus 6 Stunden täglich werden schnell 10 Stunden täglich. Überleg dir mal wie schnell das geht, zu 6 Stunden Arbeit kommt die Hin- und Rückfahrt, sind schnell 7 Stunden. Dann geht man vielleicht noch einkaufen, sind 8 Stunden, und am Abend noch auswärts essen und schon ist der Hund über 10 Stunden alleine und schnell auch mehr. Rechne dir jetzt mal zusammen was das über das Jahr bedeutet…
Hund alleine lassen
Den Hund alleine lassen - warum ist das überhaupt so ein großes Thema? Googelt man es findet man zigtausend Videos, Ratgeber und sonstige Artikel die sich mit der Frage beschäftigen wie es der Hund schafft alleine zu bleiben. Als wäre es die einzige und wichtigste Aufgabe eines Hundebesitzers dafür zu sorgen, dass der Hund das schnellstmöglich lernt. Das ist so verrückt, vor allem wenn man bedenkt, dass man sich selbst vollkommen freiwillig in diese Situation gebracht hat. Niemand wird dazu gezwungen sich einen Hund in sein Leben zu holen. Das wollen jetzt vermutlich die wenigsten lesen, aber die Umstände sind bereits dann nicht passend, wenn man einen Vollzeitjob hat und der Hund somit täglich mehrere Stunden alleine bleiben muss. Muss ist hierbei ein ganz wichtiges Wort das leider viel zu oft mit kann verwechselt wird. „Kann dein Hund alleine bleiben?“, „Wie lange kann dein Hund alleine bleiben?“, „Ab wann kann ein Hund alleine bleiben?“,… Können ist hier in jeder Konstellation das falsche Wort, schließlich hat der Hund keine andere Wahl als allein zu bleiben wenn man ihn alleine lässt. Jeder Hund KANN alleine bleiben, denn er MUSS alleine bleiben. Mir ist schon klar, der Mensch MUSS arbeiten gehen, also bleibt ihm keine andere Wahl als den Hund alleine zu lassen. Das Hundefutter sowie etwaige Tierarztkosten muss ja schließlich jemand bezahlen… dass man jedoch an einen Vollzeitjob gebunden ist und keine Möglichkeiten hat den Hund mit zur Arbeit zu nehmen weiß man aber meistens schon vorher, schließlich ist die Adoption eines Hundes keine Entscheidung die man von heute auf morgen trifft. Und schon gar nicht darf es keinesfalls eine egoistische Entscheidung sein.
Wer aufgrund seiner beruflichen Umstände seinen Hund täglich alleine lassen muss, sollte meiner Meinung nach keinen Hund haben. Meine ehrliche Meinung dazu ist klar und ich weiß, dass sie die wenigsten gerne hören. Aber wer uns auf Instagram folgt weiß, welch innige Beziehung wir zu unserer Hündin haben. Dies ist unter anderem auch nur deshalb möglich, weil wir 24/7 zusammen sind. Cassie ist immer und überall dabei. Uns gibt es nur als Paket. Unser Leben war aber nicht immer so - wir haben sehr viel dafür getan und tun es immer noch. Viel mehr als den meisten bewusst ist. Erst als wir diese Möglichkeit hatten, kam Cassie in unser Leben. Der Wunsch einen Hund in unsere Familie aufzunehmen war schon lange vor Cassie präsent. Die Gegebenheiten mussten allerdings erst passen. Heute ist unser Leben komplett anders als es noch vor 7 Jahren war. Damals hätte ein Hund keinen entsprechenden Platz in unserem Leben gehabt und darum hatten wir keinen, auch wenn wir es uns gewünscht hätten. Sich einzugestehen und zu akzeptieren, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, tut natürlich weh, ist aber für alle Beteiligten fairer. Denn ein Hund ist ein fühlendes und sehr soziales Lebewesen mit Bedürfnissen. Sein wichtigster Sozialpartner ist und bleibt der Mensch (oder besser gesagt sein Mensch) - keine Katzen und auch kein anderer Hund im selben Haushalt können diese wichtige Rolle des Menschen übernehmen. Einzig und allein DU hast die Rolle seines wichtigsten Sozialpartners. Das ist nicht nur eine verdammt große und verantwortungsvolle Aufgabe sondern auch ein wunderschönes Privileg. Wenn man sich dieser großen Aufgabe bewusst ist, dann würde ein ständiges Alleinelassen gar nicht in Frage kommen. Schwierig ist dabei aber, dass der Großteil der Hundebesitzer ihre Aufgabe nicht ernst nimmt und dadurch in der Gesellschaft ein falsches Bild entsteht.
Ein Hund will sein Leben nicht wartend und isoliert allein zu Hause verbringen. Er will auch nicht Teil einer Familie sein in der sich nicht jeder einzelne dazu committed ihn zu erziehen und seine Bedürfnisse zu wahren. Er will vielleicht gar kein Teil einer Familie mit Kindern sein. Ein Hund braucht viel Aufmerksamkeit und spürt wenn er nicht willkommen ist.
Was genau würde das aber jetzt bezugnehmend auf die Nachricht bedeuten? Vor allem für die ersten 2 Wochen? Das würde heißen, dass man bereits ab Tag 1, also dem Einzug des Welpen, daran arbeiten muss ihn ans Alleinebleiben zu gewöhnen - und das bedeutet für den Welpen,
- in einer für ihn vollkommen unbekannten Umgebung
- verlassen von fremden Menschen die er noch nicht einschätzen kann
- alleine mit zwei unbekannten Katzen für die diese Situation auch komplett neu sein wird
- getrennt von seiner Mama und seinen Geschwistern
zu sein.
Neben der Tatsache, dass es allein schon aus körperlicher Sicht für einen Welpen nicht möglich ist sich mehrere Stunden nicht zu lösen, sollte doch nicht das erste sein, das er intensiv lernen wird, dass er von seiner neuen Mama alleine gelassen wird bevor er sich überhaupt erst an sie, seinen neuen Wohnort und seine neuen Wohnkameraden gewöhnen konnte …
So sehr wünscht man sich also einen Hund? Einen neuen besten Freund? Vielleicht kann man aber selbst dieser beste Freund gar nicht sein, denn zu besten Freunden gehören immer zwei.
"Es reicht nicht wenn du dir einen Freund wünschst.
Du musst auch einer sein."
Die wichtigste Frage die man sich selbst stellen muss, lautet:
Warum will ich überhaupt einen Hund?
Die moderne Gesellschaft redet uns seit jeher ein, dass erst ein Hund das Bild einer perfekten Familie komplett macht. Durch Werbung, Filme, und einiges mehr wird das regelrecht propagiert. Klar, ist ja auch ein riesiger Markt. Um glücklich zu sein braucht die Familie Kind, Haus, Garten und zuguterletzt einen Hund. Aber nicht nur das. Dank Social Media ist es ein echter Trend geworden einen Hund zu haben. Oft habe ich das Gefühl, dass dabei ein komplett falsches Bild vermittelt wird welch’ große Aufgabe es ist einen Hund in sein Leben aufzunehmen, hauptsache er sieht süß aus, bringt Likes und erfüllt seine neue Aufgabe als Statussymbol und als symbolischer bester Freund, nicht als echter.
Aber was ist überhaupt noch echt auf Social Media?
Wirklich problematisch wird es dann wenn es sich um Modehunde aus Qualzuchten handelt. Klickt man sich auf Instagram ein bisschen durch merkt man schnell, dass aktuell die Französische Bulldogge ganz weit vorne liegt. Darauf möchte ich jetzt aber gar nicht näher eingehen, sondern nur eindringlich davon abraten sich von irgendwelchen Trends mitreißen zu lassen, erst recht wenn man damit Tierleid unterstützt. Denn diese Hunde leiden wirklich ihr Leben lang. Es ist nicht süß wenn sie grunzen weil sie keine Luft bekommen, es ist auch nicht süß wenn ihre großen Augen herausquillen, es ist nicht süß wenn sie sich ständig Kratzen und Ausschläge bekommen aufgrund zahlreicher Allergien, es ist auch nicht süß, wenn er Kunststücke aufführen muss um sich lösen zu können, … das ist nur arm und diese Tiere leiden Höllenqualen. Dieses Leid kann man nur beenden indem man es nicht unterstützt.
Ich möchte niemandem etwas unterstellen, aber bei vielen Hundebesitzern habe ich das Gefühl sie haben nur einen Hund um ein gewisses Bild zu erfüllen bzw. ist es nur eine weitere Sache von der sie glauben, dass es sie glücklich macht. Und man sieht leider in viel zu vielen Fällen, dass sie sich viel zu wenig mit der Frage „Kann und will ich einem Hund das bieten was er braucht?“ beschäftigt haben und dann mit dieser Aufgabe maßlos überfordert sind. In vielen Fällen passt der Hund einfach nicht in ihr Lebensmodell und zudem sind sie nicht bereit ihr Leben für den Hund zu adaptieren. Wenn man sein Leben nicht von Anfang an an das neue Familienmitglied anpassen will, dann wird der Hund irgendwann einfach nur noch stören. Das klingt hart, aber es ist so. Der Hund wird langsam aber sicher zur Belastung.
Man ist sich mit dem Partner uneinig wer sich jetzt eigentlich um den Hund kümmern muss. Da der Hund den ganzen Tag alleine bleiben muss, während du arbeitest besteht natürlich ein gewisser Druck nach der Arbeit noch genügend Zeit für ihn aufzubringen. Ohne Ablenkungen, mit guter Laune, voller Motivation und ausreichend Geduld. Diese Voraussetzungen kann man aber vielleicht nicht immer erfüllen. Man ist müde von der Arbeit, mit den Gedanken wo anders, einkaufen muss man auch noch und Haushalt steht sowieso immer an. Dann wollten noch Freunde zu Besuch kommen oder man ist selbst wo eingeladen. Kommt der Hund da mit oder bleibt er vielleicht doch lieber wieder zu Hause? Ist schließlich einfacher und wirklich brav ist er meistens auch nicht - fürs Training braucht man schließlich auch genug Zeit. Wobei ich persönlich von Trainingseinheiten ohnehin wenig halte. Ein Hund muss erzogen werden, nicht trainiert. Und Erziehung findet immer und überall statt, nicht nur zu gewissen Terminen. Um die Erziehung müssen sich aber alle im Haushalt gleichermaßen kümmern (und auch kümmern wollen). Irgendwann will das dann aber keiner mehr so richtig. Man akzeptiert halt, dass der Hund bellt, man lässt ihn ziehen und schenkt ihm eigentlich keine Beachtung mehr, denn man kann ja bei der Runde um den Block genausogut seine Mails checken. Keine Beachtung bedeutet, dass der Hund sich immer mehr von einem abwendet und sein eigenes Ding macht. Irgendwann lebt man nur mehr nebenher. Das ist traurig aber die bittere Wahrheit.
Klingt ziemlich unlustig, oder? Aber nicht nur für dich ist das alles unlustig. Auch für den Hund ist ein solches Leben eine Qual.
Voll oder gar nicht
Ein Hund ist kein Accessoire oder Spielzeug dem man sich nur dann widmet wenn es Zeit und Laune gerade zulassen. Er ist nicht einfach nur da wenn man nach Hause kommt und lebt für den zweistündigen Sonntagsspaziergang. Wenn er täglich alleine gelassen wird sieht sein Tag so aus, dass er alleine ist und wartet. Auf dich, sich zu lösen und gemeinsam was zu erleben. Stundenlang.
Und in der gemeinsamen Zeit ist er dann vollkommen überfordert und gestresst weil er weder gelernt hat seine Impulse zu kontrollieren noch hat er eigentlich Lust in der Zeit den Nachbarhunden Hallo zu sagen oder sich unter 10 impulsiven Hunden in der Hundezone zu beweisen.
Natürlich klingt das jetzt sehr extrem, trotzdem muss ich es erwähnen weil es mehr als 90% der Hunde betrifft und es in einem solchen Lebensmodell schnell dazu kommt, dass man seine Aufgabe als Hundemama oder Hundepapa nicht entsprechend erfüllen KANN. Da geht es nicht primär ums nicht Wollen sondern darum, dass die Kapazitäten nicht ausreichend sind um dem Hund ein Leben zu ermöglichen, welches er braucht und verdient.
Das bedeutet nicht, dass der Hund nicht auch mal alleine bleiben kann und trotzdem ein erfülltes Leben haben kann, aber die Frage ist: wie sieht der Rest deines Lebens aus?
Kannst und willst du diesen Rest zu 100% mit deinem Hund teilen? Dann ist es ok.
Denn es sollte immer heißen „Leben MIT Hund“ und nicht „Ich lebe mein Leben und habe einen Hund“.
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