Sitz, Platz, Bleib - Geduld als Grundlage
Geduld ist eine Tugend, so sagt man. Sie bezeichnet die Fähigkeit zu warten oder etwas zu ertragen. Diese Fähigkeit ist aber nicht angeboren, sondern muss erfahren und erlernt werden. Das gilt für uns Menschen ebenso wie für unsere Hunde. Warum Geduld im Leben unserer Hunde so wichtig ist erkläre ich dir in diesem Beitrag.
Im gemeinsamen Alltag mit Hund geht es oft um das Thema Geduld. Aber warum eigentlich? Auf der einen Seite verlangt Hundeerziehung von dir sehr viel Geduld ab. Aber genauso wichtig ist es auf der anderen Seite dem Hund zu lernen geduldig zu sein. Zum einen weil es für dich als Hundebesitzer in vielen Situationen eine Erleichterung darstellt und zum anderen - was noch viel wichtiger ist - ist es für deinen Hund selbst eine extreme Erleichterung wenn er seine Impulse zu kontrollieren weiß. Denn ein Hund der keine Geduld hat erlebt sehr oft Frustration, ist gestresst und verhält sich dadurch falsch.
Was ist Impulskontrolle?
Klassisch versteht man unter Impulskontrolle, wenn der Hund brav sitzen bleibt während man sein Essen vorbereitet; oder das er Rehen, Hasen oder Hühnern nicht impulsiv hinterherjagt oder dass er nicht aus der Tür stürmt, sobald man diese öffnet. Damit haben viele Schwierigkeiten, vor allem mit dem Jagen. Hunde sind naturgemäß sehr impulsive Tiere - manche natürlich mehr, manche weniger. Während für den einen etwas bestimmtes ein starker Reiz sein kann, so kann derselbe Reiz einem anderen wiederum komplett egal sein. Wenn ein Hund nun nicht gelernt hat seine Impulse zu kontrollieren, so kann ein Reiz zu unangenehmen, inneren Spannungen und in weiterer Folge sogar zu Frustration führen. Der Hund versucht dadurch unkontrolliertes, impulsives Verhalten auszugleichen. Ein Teufelskreis also. Die Impulskontrolle ist nämlich wie ein Akku. In unserer heutigen Zeit sind unser Alltag und all dessen Reize teilweise so belastend, weil der Akku bereits ausgeschöpft ist. Bei uns Menschen ist es ja oft nicht anders wenn wir überreizt und müde sind. Die Konzentrationsfähigkeit lässt nach und der Hund wird ungeduldig. Je weniger Stress ein Hund in seinem Alltag ausgesetzt ist, desto besser kann er seine Impulse kontrollieren und desto einfacher lässt er sich in schwierigen und stressigen Situationen kontrollieren.
Da die Impulskontrolle also nichts angeborenes ist muss dein Hund erst lernen seine Impulse zu kontrollieren und mit ihnen richtig umzugehen. Diese Fähigkeit nennt man auch Geduld. Impulskontrolle bedeutet, dass man seine Emotionen unter Kontrolle hat und ist quasi mit Selbstbeherrschung gleichzusetzen. Ebenso verhält es sich mit der Frustrationstoleranz. Diese beiden Dinge gehen Hand in Hand. Der Hund muss lernen einem bevorzugten Reiz zu widerstehen und die dadurch entstehenden Gefühle auszuhalten.
Warum ist es wichtig?
Die Impulskontrolle ist so viel mehr als die klassischen Beispiele die ich genannt habe. Sie betrifft unglaublich vielen Situationen in unserem täglichen Zusammenleben. Nur dadurch lässt sich zum Beispiel ein Hund entspannt an anderen Menschen und Hunden vorbeiführen. Der Hund kann sich aufs wesentliche konzentrieren und bleibt fokussiert. Er ist im allgemeinen zufrieden und ausgeglichen, da er durch gezielte Übungen und feste Regeln im Alltag bewusst gelernt hat, mit Frust umzugehen und sich in Geduld zu wahren. Das ist nicht nur bei uns Menschen eine Tugend. Eine fehlende Impulskontrolle sowie geringe Frustrationstoleranz kann im gemeinsamen Alltag ein extremes Handicap sein. Sie kann nicht nur das Wohlbefinden des Hundes negativ beeinflussen sondern belastet dadurch das Zusammenleben zwischen Hund und Mensch.
Geduld im Alltag
Dass ein Hund geduldig sei kann und seine Emotionen unter Kontrolle hat, zeigt sich im Alltag auf ganz viele verschiedene Arten. Zum Beispiel wenn ein Hund an einer Straße geduldig wartet bis ihr diese sicher überqueren könnt. Oder, dass er geduldig an deiner Seite läuft bis du entscheidest ihn wieder ins frei zu schicken und er dies nicht impulsiv selbst entscheidet; wenn du dich für einen Ausflug fertigmachst und unerwartet doch noch etwas länger brauchst und dein Hund geduldig wartet bis du soweit bist aufzubrechen; oder wenn du dich im Park auf eine Bank setzt und sich dein Hund ohne jeglichem Widerstand neben dich legt und ihr beide die Ruhe genießen könnt.
All das führt im Alltag auch dazu, dass man einen gewissen Jagdtrieb unter Kontrolle bekommt. Wir können uns dadurch zB gemeinsam ohne Leine langsam einem Huhn oder einem Reh nähern.
Geduld ist im Alltag also etwas ganz, ganz wichtiges und ermöglicht dir so
vieles. Aber es liegt ausschließlich an dir als Hundebesitzer dies mit deinem Hund zu trainieren. Du allein entscheidest ob es eine Belastung oder eine Bereicherung sein darf.
Sitz, Platz, Bleib
Das ist ja so das klassische Hundeerziehungs-ABC. Und diese Grundkommandos sind auch extrem wichtig, allerdings müssen sie in jeglicher Situation richtig funktionieren. Das heißt Zuhause in gewohnter Umgebung genauso wie draußen unter Ablenkung. Die meisten Menschen bringen ihrem Hund zwar bei im Sitz zu bleiben während sie zB das Futter zubereiten, allerdings wars das dann auch schon. Denn wenn das Bleib dann unter Ablenkung verlangt wird, flitzen die meisten dieser Hunde davon. Das ist keine Impulskontrolle. Wenn der Hund vor seinem Futternapf sitzen bleiben kann ist das ja toll und auch sehr höflich von ihm, nützt im Alltag und in wichtigen Situationen aber relativ wenig. Daher muss unbedingt an einem felsenfesten Bleib gearbeitet werden welches in jeder Situation funktioniert. Dazu baut man am besten zusätzliche Reize ins Training mit ein und versucht die Umstände zu variieren. Denn das Bleib sollte nicht nur sicher sondern auch variabel funktionieren. Denn ein Bleib kann genauso bedeuten, dass der Hund in einem geschützten Sitz neben oder hinter mir bleibt oder irgendwo liegen bleibt wenn es die Situation so erfordert.
Spielerisches Lernen
An der Impulskontrolle zu arbeiten hat sowohl für dich als Besitzer als auch für deinen Hund nur Vorteile. Aber Geduld zu lernen, kann eine sehr - ich sag mal - unlustige Aufgabe sein. Die Fähigkeit zu warten und seine Emotionen unter Kontrolle halten zu können ist für niemanden leicht. Das kennen wir wohl von uns selbst am besten. Daher ist es wichtig, seinen Hund dabei zu unterstützen und das Training so angenehm wie möglich zu gestalten. Am besten und schönsten funktioniert das, wenn man es zu einem Spiel macht. Spielerisches Lernen ist schnelles und positives Lernen. So lernt der Hund, die Kontrolle seiner Impulse mit angenehmen Gefühlen in Verbindung zu bringen und macht es folglich gern. Also quasi eine win win Situation.
Das Kommando Bleib ist für eine geduldige Grundeinstellung eine sehr, sehr gute Übung. Eine harmonische Atmosphäre, vor allem von dir als Lehrer ausgehend, ist hier das um und auf. Dein Hund soll es gern machen wollen - nur mit diesem Faktor funktioniert es auch nachhaltig. Dabei muss das Training des Kommandos Bleib langsam Schritt für Schritt gesteigert werden - man muss dem Hund ermöglichen bei dem Versuch seine Impulse zu kontrollieren Erfolg statt Misserfolg zu erleben.
Er wird lernen das er mit einer entspannten und geduldigen Grundhaltung viel eher an sein Ziel kommt, als wenn er dies durch unkontrollierte Aufregung versucht.
Höflichkeit beibringen
Einfach mal warten. Sitzen, schauen, nichts tun. Auch das ist eine sehr hilfreiche Möglichkeit seinem Hund emotionale Kontrolle beizubringen. Solche Übungen lassen sich in jeden Alltag ganz einfach einbauen. Diese Übungen haben aber noch einen viel tieferen Sinn.
Nehmen wir zum Beispiel wieder das Öffnen von Türen her. Wenn du deinem Hund beibringst, dass er generell nicht aus Türen stürmen darf nur weil diese sich öffnen, dient das nicht nur der Impulskontrolle, es ist auch höflicher. Für jeden dem das nicht reicht ist es auch noch ein wichtiger Sicherheitsfaktor.
Ich habe es letztens erst beobachtet. Eine Dame die am Ausgangspunkt eines Ausflugziels ihr Auto geparkt hat. Sie hat noch vom Fahrersitz aus den Kofferraum geöffnet und zack - sind ihre 2 Hunde schon rausgesprungen. Ganz selbstverständlich. Stell dir mal vor, die Technik spinnt und sowas passiert ungewollt?! Diese Hunde haben gelernt rauszustürmen, sobald sich eine Tür oder der Kofferraum öffnet. Ich will mir gar nicht ausmalen was hier alles passieren kann!
Dass der Hund auch einfach mal warten kann, ist also eine extrem wichtige Übung. Und nein, mit Rangordnung hat das nichts zu tun, eher mit Höflichkeit. Die große Stärke unserer Hunde ist die soziale Zusammenarbeit mit anderen Hunden und vor allem mit uns Menschen. Übungen wie diese stärken das gegenseitige Vertrauen, stärken die Impulskontrolle und wirken obendrein auch noch höflich. Gut für alle also und ein wichtiger Schritt um deinen Hund in die Gesellschaft zu integrieren.
Eine gewisse Reife
Geduld zu lernen braucht Zeit. Es setzt nicht nur voraus, dass du geduldig bleibst, sondern auch dass der Hund selbst eine gewisse Reife erreicht hat. Unsere heranwachsenden Junghunde durchleben - so wie auch Menschenkinder - neben der Pubertät einige schwere Phasen. Die sogenannten Fremdelphasen, in denen man stets entsprechend Rücksicht nehmen muss und das jeweilige Training adaptieren sollte.
In diesen Phasen sind sie häufig mit Unsicherheit oder plötzlicher Angst konfrontiert. Es ist also ganz besonders wichtig - gerade bei Junghunden - das Verhalten immer genau zu beobachten. Wenn einem Veränderungen auffallen sollte man das im Training entsprechend berücksichtigen und dem Hund nicht zu viel zumuten. Erst wenn diese Phasen überstanden sind kann man von seinem Hund erwarten, dass er geduldig ist und bleibt.
Dem Junghund also erfolgreich beizubringen auf seinem Platz zu bleiben wenn rundherum alles ruhig, entspannt und ohne jeglicher Ablenkung ist, bedeutet nicht, dass dein pubertierender Hund dies auch beherrscht wenn du deinen Besuch an der Tür begrüßt. Das kann für deinen Hund nämlich extreme Aufregung bedeuten und ist eine Ausnahmesituation die nicht zum Alltag gehört. Wie auch Kinder müssen Hunde erst lernen ihre Gefühle kontrollieren zu können. Und das geht nur mit viel Übung und einer gewissen Reife.
Verständnis
Deine Aufgabe ist es deinen Hund an der Hand zu nehmen und ihm mit viel Geduld zu zeigen, wie er selbst lernt geduldig zu sein. Und das auf positive Art und Weise. Vergiss nicht: du bist sein Lehrer. Und haben wir uns als Kind nicht alle mit einem geduldigen und verständnisvollen Lehrer am wohlsten gefühlt? Eben. Damit einem das Verständnis gegenüber seinem Hund leichter fällt, hilft es auch sich bewusst zu machen, dass man selbst auch nicht immer so einfach Herr über seine Gefühle sein kann. Sich hin und wieder mal in den Hund hineinzuversetzen und zu überlegen wie er eine bestimmte Situation erlebt, hat nichts mit vermenschlichen zutun. Es hilft uns unsere Hunde besser zu verstehen.
Häufiger Fehler
Viele Menschen neigen dazu, Bleib ausschließlich dann zu trainieren wenn rundherum nichts passiert und keine Ablenkungen gegeben sind. Trotzdem erwarten sie dann, dass der Hund in jeglicher Situation im Bleib bleibt - selbst wenn vor seiner Nase ein Hase vorbeihoppelt.
Ein weiterer häufiger Fehler ist die menschliche Reaktion wenn die Übung nicht korrekt ausgeführt wird. Man muss seinen Hund so gut kennen, dass man weiß inwieweit man ihm die schrittweise Steigerung von Reizen bei diesen Übungen zumuten kann um diese noch mit einem Erfolgserlebnis zu beenden. Es ist ganz wichtig, dass man hierbei (und auch sonst bei jedem Training) immer positiv endet. Vor allem bei „Bleib“ ist es extrem wichtig wie man reagiert, wenn der Hund mal selbstständig aus seinem „Bleib“ geht. Viele machen den Fehler zu schimpfen und packen den Hund am Halsband um ihn zum Platz zurückzuführen. Das ist aber der absolut falsche Weg! Unabhängig davon, dass man körperliche Gewalt niemals anwenden sollte, ist auch die verbale Bestrafung komplett fehl am Platz. Der Hund lernt dadurch nur, dass er die Übung „Bleib“ mit Angst verbindet und sich somit in Zukunft immer wieder aus dieser Position „rausschleichen“ will.
Nur mit deiner Hilfe und deiner eigenen Geduld kann es deinem Hund möglich sein Geduld zu lernen. Und das sollte er, denn es ist im Alltag so wichtig! Es ist so wichtig, dass dein Hund seine Impulse und Emotionen kontrollieren kann, denn nur so kann er zu einem ausgeglichenen und verlässlichen Begleiter werden. Und nur so ermöglicht man ihm unserer doch sehr reizvollen Welt stets mit Ruhe und Gelassenheit zu begegnen und ein angepasster und respektvoller Teil unserer Gesellschaft zu werden.
Und? In welcher Situation ist für dich Geduld am wichtigsten? Lass es uns in den Kommentaren wissen!
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