Handfütterung
In der Hundeerziehung kann man sehr leicht und sehr schnell so einiges falsch machen. Da sollte man doch eigentlich meinen, dass man sich zumindest bei sowas banalem wie der Fütterung nicht so viele Gedanken machen muss… dem ist aber leider nicht so. Und ich will jetzt nicht darüber reden was du deinem Hund fütterst sondern wie du ihn fütterst.
Wie oft habe ich schon gelesen oder gehört, dass so viele Hundebesitzer das Problem haben, dass sich ihr Hund draußen so gar nicht für sie interessiert geschweige denn an ihnen orientiert. Alles ist spannender als man selbst - jeder Grashalm, jede duftende Straßenecke, jeder andere Hund, jeder vorbei hoppelnde Hasen und Rehe im Wald sowieso, … viele Hundebesitzer müssen um die Aufmerksamkeit ihres Hundes regelrecht betteln.
Wie man oder besser gesagt ich dieses Problem lösen würde ist in diesem Beitrag nicht das Thema, sondern das, was so viele Hundetrainer oder Hundeschulen in solchen Situationen raten. Denn sie suchen das Problem nicht zuerst bei dir. Es gibt viele Gründe weshalb dich dein Hund nicht interessant findet und in den meisten Fällen ist es schlichtweg deine eigene Schuld. Sowas hört man natürlich nicht gern. Sich zu ändern und dadurch eine nachhaltige Verbesserung zu erreichen geht nicht von heute auf morgen. Daher wählen viele Hundeschulen den schnelleren Weg und wollen dir erklären, dass du die wichtigste Ressource für deinen Hund sein musst und empfehlen daher, dass der Hund seine Nahrung nicht mehr regelmäßig und ganz selbstverständlich im Napf erhält, sondern, dass er sich diese mittels Handfütterung erarbeiten muss. Somit wirst du sogar draußen interessanter als alles andere.
An dieser Stelle ist es mir wichtig zu sagen, dass ich wirklich nur von ausschließlicher Handfütterung spreche. Ich rede nicht davon etwas von der täglichen Futterration abzuziehen weil der Hund tagsüber Leckerli bekommt. Sondern ich spreche von denen, die ihren Hund gezielt arbeiten lassen um ihn dadurch mittels Handfütterung die tägliche Futterration zu verabreichen. Das Argument vieler Hundetrainer ist, dass du dadurch auch draußen wichtiger als alles andere wirst. Puh… meiner Meinung nach ist das eine sehr gefährliche Herangehensweise.
Warum gefährlich?
Ja klar ist das im ersten Moment nachvollziehbar, denn das Argument ist, dass dein Hund Hunger hat und deshalb auch seine Motivation größer ist um mit seiner Aufmerksamkeit bei dir zu sein. Viele argumentieren auch damit, dass es die Bindung stärkt. Zu Beginn kommt es dir bestimmt auch so vor, schließlich schenkt er dir gefühlt mehr Aufmerksamkeit. Ganz logisch und mit Sicherheit auch eine einfache Möglichkeit um möglichst schnell eine zunächst positive Veränderung im gemeinsamen Alltag zu sehen. Und das ist schließlich das was die meisten Hundebesitzer wollen: schnelle Erfolge mit möglichst wenig Aufwand. Deshalb sind auch die meisten Hundeschulen auf genau sowas ausgerichtet. Es bringt schnell Geld, schnelle Erfolge und in weiterer Folge neue Probleme.
Warum neue Probleme?
Diese Methode scheint anfangs viel Positives zu bringen. Aber auf der anderen Seite stehen viel schlimmere Punkte. Denn sie zwingt deinen Hund in eine Art Abhängigkeit. Dein Hund muss bestimmte Dinge tun um etwas zum fressen zu bekommen. Streng genommen ist es also eine Art Erpressung. Wäre der Hund ein menschliches Kind wäre es jedenfalls zweifellos so.
Natürlich schenkt er dir gefühlt mehr Aufmerksamkeit. Aber in erster Linie weil er muss und nicht weil er es möchte. Und das ist ein riesengroßer Unterschied, weshalb das Argument mit einer stärkeren Bindung auch nicht stimmt. Bindung entsteht nicht durch Futter, und schon gar nicht durch Erpressung. Sie entsteht dadurch, dass sich dein Hund immer auf dich verlassen kann. Egal wann, egal wo und egal unter welchen Umständen. Und dazu gehört nun mal auch, dass du regelmäßig dafür sorgst, dass er sein Futter bekommt - OHNE etwas dafür leisten zu müssen. Futter ist ein Grundbedürfnis. Nein sorry, es ist DAS Grundbedürfnis. Daher ist es ein großer Unterschied ob ein Grundbedürfnis gestillt wird oder ob es eine Belohnung bzw. Motivation ist.
…in der freien Natur
Von einigen kommt jetzt vielleicht das Argument, dass ein Hund in der freien Natur ja auch etwas leisten muss um an sein Essen zu kommen. Ja. Stimmt. Die tägliche Aufgabe eines jeden Tieres ist es Essen zu beschaffen. Allerdings leben diese Tiere eben in der freien Wildbahn und nicht in einem wohlig warmen Zuhause mit zweibeinigen Menschen die die Verantwortung für dieses Lebewesen übernommen haben. Wenn du quasi sagst er muss sich sein Essen erarbeiten, stellst du ihn in dieser Abhängigkeit gleichzeitig auf eine total selbstständige Ebene. Er lernt dadurch, dass er sich nicht darauf verlassen kann dass du das Essen beschaffst und du dich darum kümmerst, dass er nicht hungern muss. Das dein Hund weiß, dass er seine fixen Mahlzeiten bekommt ist essenziell um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Und in diese Abhängigkeit begibt sich dein Hund gerne.
Alles was unsere Beziehung mit Cassie ausmacht ist gegenseitiges Vertrauen und die Sicherheit, dass wir uns aufeinander verlassen können. Wir kümmern uns um sie, wir sorgen uns um sie, wir zeigen und lehren ihr was richtig und was falsch ist, wir schenken ihr die bedingungslose Liebe die sie uns schenkt, wir schenken ihr Streicheleinheiten, sorgen dafür, dass sie ausreichend Schlaf und Ruhe bekommt, dass sie möglichst viele gute und möglichst wenig negative Erfahrungen macht, dass sie in Sicherheit ist, und zuguterletzt sorgen wir dafür, dass sie immer etwas zu trinken hat und sicher weiß, dass es morgens Frühstück und abends Abendessen gibt.
Routine schafft Vertrauen
Frühstück sowie Abendessen gehört zu unserer täglichen Routine und ist somit auch eine Art gemeinsames Ritual. Wie du wahrscheinlich aus eigener Erfahrung weißt gibt Routine Sicherheit. Bei unseren Hunden ist das nicht anders. Erst wenn eine solche Sicherheit gegeben ist kann Vertrauen entstehen. Den Hund für seine festen Mahlzeiten arbeiten zu lassen widerspricht sich damit komplett. Das sollte unabhängig von allem etwas selbstverständliches sein.
Es gibt deinem Hund so viel Sicherheit wenn er weiß, dass er bei dir sein Essen bekommt ohne dafür etwas leisten zu müssen. Aber nicht nur das. Auch Entspannung ist hier ein ganz wesentlicher Punkt. Was ist zum Beispiel eigentlich wenn dein Hund mal krank zu Hause liegt und sich ausruhen muss? Muss er dann auch was dafür tun um sein Futter zu bekommen? Ich hoffe nicht. Aber steigst du nun wieder auf „normales Füttern“ um lernt dein Hund eigentlich wieder nur eins: mein Mensch ist unberechenbar! Und uninteressant sowieso, jetzt wo es draußen kein Futter mehr gibt.… Heißt also in Wirklichkeit du kannst eh nicht damit aufhören und musst demzufolge auch immer Futter mithaben. Was aber wenn du es mal nicht mit hast? Oder die Tagesration schon aufgebraucht ist? Dann bist du für deinen Hund alles andere als verlässlich, du bist unberechenbar und somit ein großer Stressfaktor für deinen Hund. Dabei sollte er doch sowohl dich als auch die Zeit die ihr miteinander verbringt mit Sicherheit, Vertrauen und demzufolge mit Entspannung verbinden. Weiß dein Hund, dass er sich sein Essen immer erarbeiten muss, so wird auch dementsprechend seine Erwartungshaltung immer hoch sein.
Nicht falsch verstehen
Prinzipiell ist nichts verkehrt daran, dass ein Hund belohnt wird, wenn er etwas leistet. Aber Belohnung sollte etwas zusätzliches sein. Auch Cassie wird belohnt und ich habe nicht vor damit aufzuhören. Allerdings ist es ein großer Unterschied ob dein Hund belohnt wird weil er etwas leistet, oder ob er etwas leisten muss um ein Grundbedürfnis zu stillen.
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