Bettelnder Hund
So ganz ungestört sein Essen genießen können und der Hund liegt entspannt daneben… Das ist schon ein tolles Gefühl, oder? Warte. Wie jetzt? Dein Hund kann das nicht? Dann weiß er wohl, dass die Chance groß ist, dass er doch etwas bekommt.
Sowohl bei uns im Studio als auch zu Hause haben wir eine offene Küche. Eine Küche die also jederzeit frei zugänglich ist und auch Lebensmittel lagert die jederzeit erreichbar sind.
Egal wo wir kochen oder Essen, sei es bei Freunden, im Restaurant oder ein Picknick am Boden - für Cassie gilt immer dieselbe Regel: Küche und unser Essen sind tabu! Und diese, ich nenns jetzt mal Selbstbeherrschung, ist nichts angeborenes. Ganz im Gegenteil. Cassie ist so ziemlich der verfressenste Hund den ich kenne. Es ist alles eine Sache der Konsequenz.. deiner Konsequenz.
Nicht angewöhnen
Der beste Rat ist: gewöhne deinem Hund nie an zu betteln. Du hast es in der Hand. Wenn er von Anfang an weiß, dass es bei Tisch, in der Küche und wann immer du isst, Nichts für ihn gibt, dann wird er das akzeptieren und auch niemals erwarten. Dabei darfst du einfach nie- nie- niemals eine Ausnahme machen. Egal wie süß er schaut und wie lieb du ihn hast. Du tust ihm damit nichts gutes. Da aber die meisten diesen Fehler wohl schon begangen haben und es nun korrigieren wollen, gehe ich jetzt tiefer in das Thema.
Falsche Konditionierung
Kein Hund bettelt einfach so. Er tut es, weil er dazu konditioniert wurde. Denn ja, auch unerwünschtes Verhalten kann man konditionieren. Sehr leicht sogar. Das geschieht entweder durch bewusste oder unbewusste Bestätigung.
Bewusste Bestätigung
Wenn du die Erwartungshaltung deines Hundes erfüllst und ihm etwas zu essen gibst während du kochst oder selber isst, dann ist das eine bewusste Bestätigung. Und meine Antwort dazu ist immer dieselbe: LASS ES. Gib deinem Hund NICHTS. Niemals. Ohne Ausnahme. Punkt. Machst du einmal eine Ausnahme wird er das nicht vergessen. Gibst du ihm etwas, wunder dich auch nicht, dass er bettelt. Denn er hat ja recht, es könnte sein, dass er doch einmal etwas bekommt.
Unbewusste Bestätigung
Für viele Hunde ist es bereits eine Form der Bestätigung wenn man mit ihnen spricht. Ganz egal was der Inhalt deines Gesprochenen ist. „Cassie, du hattest schon dein Abendessen, das hier ist nur für mich, also hör auf mit dem Betteln“… - sobald du deinem Hund Aufmerksamkeit schenkst, wird sein Verhalten bestätigt und positiv bestärkt. Das ermutigt ihn dazu es immer und immer wieder zu machen. Ihr dreht euch damit nur im Kreis. Am besten ist es den Hund in dieser Zeit komplett zu ignorieren. Kein streicheln, kein zureden, kein anschauen und schon gar kein füttern.
Selbstbelohnendes Verhalten
Oft kommt noch dazu, dass sich das Betteln bei einigen Hunde zu einem selbstbelohnenden Verhalten entwickelt. Sie wissen, wenn sie nur lange genug warten wird irgendwann mit Sicherheit etwas runterfallen - wie immer. Wenn er etwas findet, frisst er es natürlich und belohnt sich somit selbst für sein langes warten. Hier ein kleiner Tipp: Gewöhne deinem Hund komplett ab etwas vom Boden fressen zu dürfen. Ich hab das Cassie im Zuge eines Antigiftködertrainings beigebracht. Der Boden ist tabu. Und das funktioniert wirklich. Cassie lässt sogar verlorene Leckerli am Boden liegen, weil sie ganz genau weiß, dass sie diese nur aus meiner Hand fressen darf. Und das wiederum sorgt auch für pure Entspannung wenn ich esse. Wenn mir etwas vom Tisch auf den Boden fällt, landet es meist genau neben Cassie, die seelenruhig bei meinen Füßen schläft und nicht einmal zuckt. Und genau dort bleibt es dann auch liegen, weil sie gelernt hat, dass sie das nicht darf und auch NIE durfte.
Ausnahmen
Wir Menschen tendieren dazu an gewissen Tagen wie Geburtstagen oder an Weihnachten Ausnahmen zu machen. Wir feiern mit einem guten Essen und natürlich wollen wir unserem Hund ebenfalls eine Freude machen, er gehört ja zur Familie. Leider vergessen wir dabei, dass wir ihm damit keine Freude machen. Wir Menschen können differenzieren zwischen Geburtstag und den 364 anderen Tagen im Jahr. Ein Hund kann das nicht. Er bekommt also an einem Tag aus heiterem Himmel etwas gutes vom Tisch oder in der Küche und dann ewig nicht mehr. Wie soll er das verstehen? Also wird er es jeden Tag wieder versuchen und hoffen, dass er diesmal etwas bekommt. Demnach bedeutet das für ihn hauptsächlich Stress. Also lass das auf jeden Fall. Wenn du ihm eine Freude machen willst, mach einen großen Spaziergang und verbringe die Zeit bewusst mit deinem Hund.
Folgen
Deinem Hund Betteln „erlauben“ ist unfair. Auch wenn es sicher keinen bösen Hintergedanken hat, wenn du Essen mit ihm teilen willst. Es hat aber leider fatale Folgen. Du bringst deinem Hund damit bei, immer in eine gewisse Erwartungshaltung zu fallen, sobald irgendwo was Essbares ins Spiel kommt. Sei es in deiner Küche, bei der Familie oder Freunden, in der Postfiliale wo die nette Postangestellte immer gute Leckerli bereit hält,… es gibt unzählige Situationen - sie alle aufzuzählen würde diesen Beitrag aber viel zu lang werden lassen; Du weißt aber bestimmt worauf ich hinaus will.
Hat dein Hund gelernt, dass es von Dir (oder wem auch sonst) immer was zu essen gibt, wenn er darum bettelt, so ist seine Erwartungshaltung entsprechend hoch. Ständig in einer solchen Erwartungshaltung zu sein, ist mit großem Stress verbunden. Er kann nicht oder nur schwer zur Ruhe kommen. Wird seine Erwartung dann auch nicht erfüllt, kommt Frust ins Spiel. Solche Hunde haben erfahrungsgemäß eine niedrige Frustrationstoleranz, was sich wiederum in Verhaltensproblemen und vermehrtem Stress zeigt. Du siehst also worauf das abzielt - es ist ein ewiger Teufelskreis und alles andere als ein gesunder Lebensstil.
Distanz
Was kannst du also tun, um deinem Hund Betteln in erster Linie gar nicht erst anzutrainieren? Wenn dein Hund nicht von deiner Seite weicht und dich mit erwartungsvollen Augen anstarrt oder sogar beginnt Kunststücke aufzuführen sobald du etwas isst, dann sorge dafür, dass die Distanz zwischen Euch größer wird. Bringe ihn an seinen Platz, lass ihn dort liegen und geh wieder zurück zu deinem Essen. Und jetzt kommt das entscheidende -
Ignorieren
Die oberste Regel - und einfach noch dazu - Ignorieren. Ignoriere deinen Hund komplett. Schenk ihm keine Form der Aufmerksamkeit, denn das könnte eine unbewusste Bestätigung für deinen Hund sein. Auch Augenkontakt ist tabu, denn das wäre für den Hund eine erneute Form der Kontaktaufnahme die er als Einladung verstehen könnte und somit seine Erwartungshaltung wieder extrem erhöht. Mach also einfach dein Ding. Nur durch dein Ignorieren und die räumliche Distanz während du isst, kann dein Hund lernen dabei von sich aus zur Ruhe zu kommen. Lass ihn also einfach auf seinem Platz liegen bis du fertig bist. Danach lässt du ihn frei und belohnst ihn mit kurzer Kuschel- oder Spielzeit.
Tabuzonen
Eigentlich ist es ganz einfach und so logisch. Ganz nach dem Motto:
„Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“. Die nötige Distanz beginnt nicht erst wenn du etwas isst, sondern bereits beim Zubereiten. Schaffe also fixe räumliche Grenzen und ernenne die Küche als Tabuzone. Das macht es für alle Beteiligten nicht nur einfacher, sondern vor allem entspannter. Ein Hund hat meiner Meinung nach nichts in einer Küche verloren. Schon gar nicht wenn gekocht wird. Weder um zu betteln noch um im Weg zu sein. Und sind wir uns mal ehrlich - ein Hund in der Küche ist zu 90% der Zeit nur im Weg.
Kein Essen von Anderen
Für mich persönlich eine der wichtigsten Regeln überhaupt. Essen ist eine lebenswichtige Ressource die Du als Ranghöchster und 1. Bezugsperson verwaltest. Dass dein Hund sein Futter von dir bekommt, ist extrem wichtig für eure Bindung. Es ist ein gemeinsames alltägliches Ritual, dass deinem Hund zeigt, dass auf dich Verlass ist.
Essen soll aber natürlich keine Bestechung sein. Weder um einen braven, gehörigen Hund an seiner Seite zu haben noch um sich bei anderen einzuschleimen. Viele Menschen sind der Meinung, dass ein Hund sie nur dann mag, wenn sie ihm Essen geben und er bei ihnen gewisse Ausnahmen genießen darf. Denken wir zum Beispiel an Großeltern und ihre Enkelkinder. Ich kann hier ganz extreme Parallelen feststellen, wenn die Enkelkinder keine menschlichen Kinder, sondern Hunde sind. „Na, bei mir darf er das, ich bin nicht so streng - ich bin ja die liebe Omi!“. Liebe Omi, 1. du bist auch ohne Leckerli eine liebe Omi. Und zwar immer. Und 2. ich bin nicht streng. Ganz im Gegenteil. Ich bin konsequent und schaffe klare Regeln. Und genau das ist der Unterschied:
Mehr Freiheit
Durch Konsequenz und klare Regeln bekommt der Hund auch mehr Freiheit. Deutlich mehr Freiheit sogar! Da Cassie weiß, dass sie nichts von unserem Essen abbekommt, bettelt sie nicht, sie belästigt uns nicht beim Essen und erwarten tut sie es ebenso wenig. Dadurch darf sie sich auch frei bewegen und überall hin mit, man muss sie nicht ständig im Blick haben, korrigieren oder schimpfen. Der Abend kann also wie gewohnt ganz harmonisch ablaufen. Sie kann ganz entspannt ihr Ding machen - meistens ist das schlafen. Das hat auch einen riesen Vorteil wenn man bei Freunden zum Essen eingeladen ist oder in ein Restaurant geht. Übrigens ist es genau das, was die Menschen mit bettelnden Hunden dann immer so bemängeln: "Nein, also in ein Restaurant oder zu Freunden kann ich ihn nicht mitnehmen - da kommt er nicht zur Ruhe und benimmt sich ganz fürchterlich." … Hm, komisch, warum wohl?
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